Die letzten Wochen haben mich ziemlich nachdenklich gestimmt. Treffe ich doch immer mehr Menschen, die es sich nicht mehr leisten können, eine Wohnung, Miete oder gar ein Haus zu bezahlen. Besonders in Spanien fällt mir auf, dass viele junge Spanier in meist älteren Wohnwagen, manche sogar in kleinen Kombis mit isolierten Fenstern leben. Erst gestern habe ich in einer Spaniengruppe von diesem Problem gelesen. Jetzt im Winter, wo die meisten Hotels und Lokale geschlossen haben, müssen sich diejenigen, die sonst dort arbeiten sich irgendeinen Job suchen, um wenigstens leben zu können. Und da mittlerweile auch hier die Mieten nicht mehr im Verhältnis zur Entlohnung der Servicemitarbeiter stehen, bleibt denen auch nichts anderes übrig, als ungewöhnliche Lösungen für sich zu finden. Bei der derzeitigen Kälte in Spanien nicht sehr angenehm.

Kilometerweit Weißware am Strand

!Ein großes Problem ist, dass es hier in Spanien nur so von Wohnmobilen wimmelt. Nicht selten stehen auf irgendeinem städtischen Parkplatz oder auf wilden Plätzen mehr als 60 dieser großen weißen Kisten, selbstausgebauten LKW’s und Kastenwagen. Einige sind auch im Minicamper unterwegs. Das sind Kombis, die teilweise liebevoll zum Camper ausgebaut sind. Überwiegend treffe ich Deutsche, Niederländer, Belgier und auch ein paar Engländer. Die meisten sind Rentner, die von Oktober bis Ende März hier in Spanien oder weiter unten in Marokko die Winterzeit verbringen. All diese belegen nicht nur Parkplätze, sondern auch kilometerweit Landstriche an den Stränden, so dass für Einheimische kaum mehr Platz bleibt. Zwischendurch fahren sie dann weg, um ihr Abwasser zu entsorgen. Dazu muss man aber seinen Platz verlassen. Und dann stellt sich da sofort ein anderer hin. Nicht wenige lassen ohne den geringsten Skrupel ihr Abwasser gerade dort ab, wo sie stehen. Mitten in der Natur.

 

„Hier herrsche ich!“

Dieser schieren Masse an Wohnmobilen wird Spanien bald nicht mehr Herr werden. Deshalb greift die lokale Polizei mittlerweile auch durch und räumt öfter mal diese Plätze. Das ist verständlich, denn dieser Raum fehlt den Einheimischen, die hier tagtäglich leben, arbeiten  und in der Freizeit auch mal abschalten wollen. Zudem sind die wenigen Campingplätze, die im Winter offen haben, meist total ausgebucht. Viele Rentner buchen sich für Monate auf dem gleichen Platz ein. Da ergibt sich nicht selten ein eigenartiges Phänomen. Dass sich nämlich Ansprüche daraus ergeben, man könnte die Herrschaft über den Platz übernehmen. Manchmal kann ich da nur den Kopf schütteln. Im letzten Jahr ist uns hier so ein Platzwart mit Schäferhund begegnet, der uns sofort in die Schranken wies. Wohlgemerkt, er war auch nur Gast. Aber manche denken, da sie so lange da sind, haben sie andere Rechte als diejenigen, die nur kurz mal vorbeischauen.

Mich erschreckt diese Situation. Denn wo soll das hinführen? Jeder dachte ja, wenn Corona vorbei ist, wird sich das wieder ändern. Da werden die Preise für Wohnmobile wieder runter gehen, da die Leute dann wieder Fernreisen unternehmen werden. Dem ist tatsächlich nixht so. Ein Umdenken hat stattgefunden. Viele, die noch voll im Arbeitsleben stehen, haben Geschmack daran gefunden, von irgendwo unterwegs zu arbeiten. Sie finden das Nomadenleben ganz gut. Deshalb sind mittlerweile die Preise für Wohnmobile ins beispiellose gestiegen.

Digitale Nomaden

Diese digitalen Nomaden, die es sich beruflich und auch sonst leisten können, von überall aus zu arbeiten sind eher mehr unterwegs. Sie bleiben ein paar Tage irgendwo und reisen dann weiter. Diese Gruppe habe ich bisher als sehr angenehm empfunden. Im Prinzip machen sie den gleichen Job wie vorher, nur eben von ihrem Wohnmobil aus. Teilweise taten sie dies von vorher vom Homeoffice aus. Für manche ist dies ein Rechenbeispiel. Die Kosten für Heizung, Strom, Grunderwerbsteuer und was sonst noch alles für Haus oder Wohnung anfällt wird ihnen zu hoch. Einige haben ihr Haus verkauft und sich für das Geld ein gut ausgestattetes Wohnmobil besorgt. Das sind dann halt die wirklich großen Monster von über acht oder zehn Metern. Richtige Raumwunder. Darin gibt es alles, was sie zum Leben und Arbeiten brauchen. Meist sind sie als Paar unterwegs. Zu Zweit wäre mir so ein kleiner Kastenwagen wie meiner auch zu klein. Neulich fühlte ich mich als einer von zwei Kastenwagen unter 50 Weißwaren-Kisten schon ein wenig seltsam.

Rentner und Saisonarbeiter

Da gibt es u.a. die satten Rentner, die aus Vergnügen (oder Langeweile) mit den großen Kisten unterwegs sind, auf der anderen Seite diejenigen mit teils selbst ausgebauten Autos, die zusehen müssen, wie sie tagtäglich überleben und denen nichts anderes übrig bleibt, als in einem mobilen Heim – oder wie man es auch immer nennen mag, zu leben, wie ich es bereits eingangs beschrieb.

Nicht wenige arbeiten als Saisonarbeiter in Sommer- und Winterregionen, ohne dass sie dort eine bezahlbare Unterkunft bekommen. Das bedeutet, dass man nicht nur ohne Wohnung, sondern oft im Winter auch ohne ausreichende Heizung auskommen muss. So spaltet sich die Gesellschaft gerade in bedenklichem Maße. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer. Ja ich weiß, wir reden schon immer davon. Aber so krass wie auf dieser Reise habe ich das bisher wirklich noch nicht erlebt. Gerade hier in Spanien ist es extrem. Zuhause befand ich mich in meiner Blase, meinem Umfeld, da ist mir das überhaupt nicht aufgefallen. Umso mehr hat es mich doch erschreckt, was da gerade geschieht.

Gibt es diese Szenarien auch bald bei uns?

Müssen wir in Deutschland auch bald damit rechnen, dass sich solche Szenarien ergeben? Auch hier kann man feststellen, dass heuer im Winter wesentlich mehr Wohnmobile unterwegs sind. Oft auch Menschen, die sich eine Wohnung nicht mehr leisten können oder wollen, da sie entweder nur Teilzeit- oder Minijobs haben und bei einer Wohnungsbewerbung chancenlos sind. Denn hier muss man sich ja komplett offenbaren. Neben Schufaauskunft auch noch den Gehaltszettel an zig Vermieter abgeben. Wo bleibt hier der Datenschutz frage ich mich da, wenn ich jedem x-beliebigen Vermieter meine Vermögensverhältnisse offenlegen muss. Weiß ich, was der mit meinen Daten anfängt?

Unsere Bürokratie – ein Dauerproblem

Zudem haben wir in Deutschland eine Bürokratie, die nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen der Menschen angepasst ist. Ich wollte mir schon vor Jahren ein Tinyhaus kaufen. Das Problem war jedoch, ein Grundstück zu finden, auf das man ein solches überhaupt stellen darf! Denn so einfach ist das nicht. Die ganzen Auflagen, die Anforderungen, das kann man nicht erfüllen. So wird man irgendwann mürbe und fragt sich, was man tun kann. Besonders beim Baurecht zeigt sich die deutsche Bürokratie in ihrer wahren Form. Freunde von mir hatten einen Hof in Norddeutschland gekauft mit der Idee, dort mit der Familie einzuziehen und vielleicht sogar einen Workingspace zu eröffnen. Fragt nicht, wie viele Jahre und Geld es sie gekostet hat, das zu erreichen. Fast wäre es sogar gescheitert. Es hat die Familie unendlich viele Nerven gekostet und durch die Verzögerung des Bauamtes über Jahre hinweg haben sich die Baukosten mehr als verdoppelt. Zudem dürfen sie bis dato immer nicht all das verwirklichen, was sie geplant haben.

Ist das Sozialamt die bessere Lösung?

Eigentlich engagiere ich mich nicht politisch. Aber jetzt muss ich da doch mal meinen Senf dazugeben. Warum wird es uns so schwer gemacht, neue Dinge einzuführen? Wieso wirft man Menschen mit guten Ideen ständig Knüppel zwischen die Beine? Menschen, die ihre Leistungsfähigkeit und Motivation für Neues einbringen wollen. Ich verstehe es nicht!

Als ich noch in Berlin gewohnt habe, traf ich aus dem Gymnasium meines Sohnes eine Mutter. Sie erzählte mir, dass sie einen Doktor in Biologie habe, aber nicht arbeiten würde. Sie hatte zwei Kinder über künstliche Befruchtung aus der Samenbank zur Welt gebracht und meinte, dass sie vom Amt so viel Geld bekommen würde, dass sich eine Arbeit nicht lohnen würde. Da ist mir doch glatt der Mund offen stehen geblieben, was bei mir selten vorkommt. Es war für sie eine Selbstverständlichkeit, dass sie und ihre Kinder vom Staat leben, also von dem Geld, das andere erwirtschaften. Und das hat sie ohne Probleme schon über zehn Jahr hingekriegt und hatte auch nicht geplant, daran etwas zu ändern.

Wenn ich dann sehe, dass leistungswillige und arbeitsbereite Menschen sich durch unsinnigen Behördenkram schlagen müssen, wenn sie sich selbstständig machen wollen, dann stimmt da doch was ganz gewaltig nicht. Ich weiß, ich ändere nichts daran, aber das musste jetzt echt mal raus. Ich bin ja nun schon seit vielen Jahren selbständig und weiß, wovon ich spreche. Man muss sich um alles selbst kümmern und das raubt Zeit. Zudem kann man sich am Anfang oder wenn das Geschäft mal nicht läuft nicht immer Fachleute leisten, die einen darauf aufmerksam machen, worauf zu achten ist. Ich hoffe, dass sich mit der Zeit endlich etwas ändert. Deshalb verstehe ich den einen oder andern, der sich unabhängig machen will und einfach das Land verlässt. Ich möchte übrigens die vielen Schwurbler, die mit allem in Deutschland unzufrieden sind nicht unerwähnt lassen. Erst letzte Woche hat mich so jemand gleich nach meiner Ankunft auf einem Stellplatz angesprochen. Ich hatte das Gefühl, sie sucht Verbündete, um sich in ihrer Meinung zu festigen. Da ist man bei mir leider an der ganz falschen Adresse.

Es sind schon krasse Gegensätze, die ich gerade wahrnehme.

So, das war’s für heute.

Meine Learnings

  • Manchmal ist und bleibt man sprachlos.
  • Aufgeben ist auch keine Option.

Ich wünsche eine gute Zeit und bleib gesund und heiter!