So schnell verfliegt die Zeit. Nun bin ich schon neun Wochen mit dem Van unterwegs. Es ist seltsam. Für mich ist und war das von Anfang an eine ganz normale Sache. Mein Zuhause und mein Büro sind immer dabei. Ich stehe frühmorgens um sechs Uhr auf, trinke meine Tasse Kaffee – wie schon immer erst mal im Bett – und mache mich dann für den Tag bereit.

Tür auf und schauen, was das Wetter meint. Also direkt frische Luft schnappen. Wenn es passt, mache ich einen kleinen Spaziergang oder meine Qi Gong Übungen und setze mich dann an mein Macbook. Checke Mails, Termine und Aufgaben. Dann starte ich mit der Arbeit.

In diesen neun Wochen habe ich mein altes geordnetes, organisiertes und sicheres Leben, also das, was ich seit zig Jahren lebe, komplett hinter mir gelassen. Vor allem habe ich mich vieler Verpflichtungen und Routinen entledigt. Dieses Gefühl, noch etwas in meinem Leben zu bewegen, raus aus der Komfortzone, dem Hamsterrad, hatte ich schon in 2019. Damals habe ich mich noch von außen beeinflussen lassen, es nicht zu tun. Als ich an meinem letzten Tag meiner Spanienreise morgens um sechs Uhr vor Valencia am Wasser stand, war die Entscheidung gefallen. Jetzt ist die Zeit reif!

Von den Anfängen habe ich bereits in meinen anderen Posts geschrieben. Der Start vor neun Wochen fiel mir erstaunlich leicht. Eigentlich sind Umzüge immer stressig, aber so ein „Auszug“ ist etwas ganz anderes. Ich fühlte mich befreit. Natürlich gab und gibt es immer etwas zu organisieren, aber das klappt auch bei dieser Lebensweise bisher sehr gut. Na ja, meistens.

Ganz besonders schätze ich die Unterstützung von Freunden, die mir alles Mögliche anbieten. Zum Beispiel Haus und Hund zu hüten, oder bei ihnen Wäsche waschen, duschen etc. Gut tut mir, dass sie voll hinter meiner Entscheidung stehen und Anteil an meinem Experiment nehmen.

Arbeiten im Van

Auch die Arbeit funktioniert. Bei SAP habe ich mit einem Kollegen eine Veranstaltung gehalten, Coachings und Kurzworkshops aus dem Van geführt und war mit Kunden zum Coaching in der Natur unterwegs. Papier habe ich fast vollständig abgeschafft.

Stellplatzflucht

Wenn man im Van lebt, muss man natürlich auch schauen, wo man sich nachts hinstellen und schlafen kann. Bisher hat das immer gut geklappt. Nur einmal bin ich geflüchtet, da die Berieselungsanlage eines Spargelfeldes bei Speyer so einen Lärm verursacht hat, dass von Schlafen keine Rede war. Beim nächsten Platz haben sich dann junge Menschen getroffen, die Bässe und Lautstärke ihrer Autos stundenlang testen mussten. Meine Kapitulation erfolgte dann um ein Uhr in der Nacht. Da bin ich dann noch einmal umgezogen. So kann es eben auch gehen.

Von Frankfurt nach Flensburg

Diese Orte habe ich in den letzten Wochen besucht: Walldorf, Frankfurt, Speyer, Lübeck, Eckernförde, Flensburg, die Insel Föhr, Tönning (bei St. Peter Ording), Hamburg, Cuxhaven, Bremerhaven. Die Übernachtungsorte erwähne ich hier gar nicht. An der Ostsee habe ich mich mit einer Camperfreundin getroffen, die ich auf meiner Spanienreise im Januar kennengelernt hatte. Dort stand ich dann ausnahmsweise mal länger auf einem Stellplatz. War ja auch in echt netter Gesellschaft. In der Umgebung des Stellplatzes konnte ich nun endlich mal wieder meinen Roller vom Träger holen und die Gegend auskundschaften. Schleswig Holstein ist wirklich ganz bezaubernd und die Menschen dort habe ich als ausgesprochen freundlich erlebt. Zudem gibt es in den Cafés so leckere Kuchen, dass man nicht widerstehen kann. Täglich nahm ich mir vor – morgen gibt es keinen Kuchen. Dann kam ich doch nicht dran vorbei. Schließlich gehört das Genießen auch zu meinem Experiment.

Auf Föhr habe ich liebe Freunde besucht. In Nieblum gab es am Sonntag Abend in der Kirche das Jahreskonzert des Chors, wo meine Freundin singt. An dem Abend war Vollmond und so habe ich diesen alten Friedhof mit den schiefen und krummen alten Grabsteinen fotografieren können. Da fällt einem so der eine oder andere Gruselfilm ein.

Von Föhr bin ich nach drei Tagen wegen des heftigen Windes abgereist. Für die Surfer und Kiter war das bestes Wetter. Mich hat es nur müde gemacht. 

Viele Orte habe ich hier nicht aufgeführt, da sie auf der Strecke von A nach B lagen. Dort suchte ich mir oft einen Stellplatz für eine Nacht, was super funktionierte. Auch habe ich es nicht geschafft, alle Freunde und Bekannte zu besuchen. Lustigerweise erhielt ich in Bremerhaven eine Nachricht von Karin, wie lange ich denn noch in der Stadt wäre. Ehrlich gesagt, musste ich erst mal überlegen, welche Karin das ist. Und dann fiel mir ein, dass ich sie bei einem Fotoworkshop von Frank Fischer (Beste Fotoschule von Welt, https://www.ff-fotoschule.de) in der Toskana kennengelernt habe. Die kann ich nur empfehlen. Waren tolle Leute, alles perfekt organisiert und hat riesig Spaß gemacht. Leider war ich aber schon auf dem Weg Richtung Süden. Aber das nächste Mal klappt es bestimmt mit einem Kaffee (und Kuchen).

Wie reagieren andere?

Wenn ich den Menschen erzähle, dass ich gerade ein Experiment mache und ein Jahr in einem Van lebe und arbeite, erlebe ich ganz unterschiedliche Reaktionen. Die meisten finden das ganz toll und würden das auch gerne machen. Für manche käme das überhaupt nicht infrage. Die Wohnung eintauschen gegen acht Quadratmeter. No way. Für mich sind das aber keine 8 qm. Ich mache die Türe auf und stehe in der Welt. In Hamburg mitten in der Stadt an einem kleinen See, es kann aber auch ein banaler betonierter Parkplatz sein, der nichts Reizvolles bietet. Heute stehe ich auf einem Platz in einem kleinen Ort, umgeben von Bäumen, Vogelgezwitscher mit Blick auf eine Burg und kann hier wunderbar spazieren gehen.

Freiheit

Dieses Gefühl der Freiheit kann ich nicht beschreiben. Erst jetzt merke ich, wie eingeengt ich mich in meiner Wohnung gefühlt habe. Jetzt kann ich spontan entscheiden, ob ich irgendwo bleiben oder woanders hingehen möchte. Ich muss keine Blumen gießen, kaufe nur das ein, was ich auch wirklich brauche und bin die meiste Zeit draußen. So wie jetzt. Ich sitze vor meinem Van und schreibe den wöchentlichen Blog für euch. Danach habe ich einen virtuellen Workshop mit einem Führungsteam eines mittelständischen Unternehmens. Und außerdem lerne ich unglaublich viele und interessante Menschen kennen.

So, nun reicht es für heute, obwohl es noch viel zu erzählen gäbe. 

Meine Learnings

  • Freiheit braucht Raum und Zeit
  • Man kann auch mit weniger gut leben
  • Flexibilität entsteht im Kopf

 

Bis nächste Woche. Bleib heiter!